Flächenbrand - Apulische Meditationen

Hoch über der weißen Stadt säumt auf einmal kohlschwarzes Gestrüpp die einsame Straße. Die Vegetation ist seltsam erstarrt, wie von einer bösen Fee schlagartig eingefroren. Bizarre Astformationen zeugen von einem verheerenden Brand und seinen verzweifelten Löschversuchen. In ihrem schwarzbraunen Trauerflor wirkt die archaische Landschaft noch wundersamer, als sie es von jeher war.

Ich bin unterwegs im Hinterland von Ostuni, vierhundert Meter über der Adria. Die Natur glüht orange in der aufgehenden Sonne. Ein erhabener Moment in zeitentrückter Atmosphäre. Ich komme mir vor wie ein wandelnder Mönch auf biblischen Pfaden: Ein abgebrannter Dornenbusch, weiß verkohltes Stroh, behutsame Schritte auf roter Erde. Ich verliere mich im Gekrakel der schwarzen Äste. Der verbrannte Weg führt durch uraltes, kraftstrotzendes Land. Die Ebene zwischen Berghang und Meer ist übersät mit Jahrhunderte alten Olivenbäumen. Noch einmal staunen über den grenzenlosen Blick auf das türkisblaue Meer. Dann führt ein schmaler, von Regenwasser durchpflügter Abstieg hinab in die Geschichte.  

Am Rand einer Schlucht versteckt sich eine kleine Felsenkirche aus dem 12. Jh. Eine weiße Madonna im hellblauen Gewand wartet versteckt im Dunkel der feuchten Grotte. Draußen sind noch weitere Räume und ein Brunnen erkennbar, die in den Felsen gegraben wurden gleich einer heiligen Umfriedung. Die kleine Einsiedelei stammt aus dem zwölften Jahrhundert. Sie wurde von griechischen Eremiten bewohnt, wahrscheinlich Basilianern.

Die Kirche ist St. Blasius gewidmet, einem armenischen Bischof, Heiler und Arzt aus dem 3. Jh. Blasius von Sebaste starb als Märtyrer während der Christenverfolgungen im Römische Reich. Wahrscheinlich suchten auch die ihn verehrenden Mönche hier eine Zuflucht vor den herannahenden Osmanen. Entlang der Hügel von Ostuni sollen sie Blasius‘ Reliquien aufbewahrt haben.   

Um Blasius und seine Wohltätigkeiten ranken sich viele Mythen. In der katholischen und orthodoxen Kirche wird er als Heiliger verehrt. Jedes Jahr an seinem Gedenktag, dem 3. Februar, pilgern Gläubige in die Brindisische Campagne zur unscheinbaren Wallfahrtskirche. In vielen Gemeinden wird dazu auch der Blasiussegen gespendet. San Biagio, wie ihn die Italiener nennen, zählt zu den vierzehn Nothelfern der katholischen Kirche. Jedenfalls hat das Feuer nicht bis hierher gefunden, denke ich, und gehe berührt zwischen versengten Mandel- und Johannisbrotbäumen zurück Richtung Straße.        

 

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